Aufnahmewege von PA durch direkte und indirekte Intoxikation

Verfasser und Copyright ©: Dr. Helmut Wiedenfeld, ehem. Akademischer Direktor Pharmazeutisches Institut Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.

Eine Humanintoxikation ist grundsätzlich auf zwei Arten möglich. Über die direkte (1) und die indirekte (2) Intoxikation:

1. Direkte Intoxikation

1.1.: orale Aufnahme von Pflanzenmaterial, welches toxische PA enthält. Dies betrifft vordergründig Heilpflanzen, die diese Stoffe enthalten. Beispiele: Huflattich, Beinwell, Borretsch, Fuchs-Kreuzkraut, Goldenes Kreuzkraut. Der medizinische Einsatz dieser Pflanzen ist durch den Erlass des BfArM beschränkt (Stufenplan zur Abwehr von Arzneimittelrisiken, BAnz. Nr.: 111, S. 4805 vom 17.6.1992).

 

Wir haben kürzlich zwei Fälle untersucht, in denen Neugeborene nach einem Tag an akutem Leberversagen gestorben sind. Histologisch wurde VOD festgestellt. Wir konnten die PA-Metabolite in der Leber nachweisen. Die Intoxikation erfolgte durch den täglichen Verzehr eines Pflanzentees mit PA-haltigem Pflanzenmaterial der Mutter über den gesamten Zeitraum der Schwangerschaft. Die aufgenommene Menge an PA war nicht hoch genug, um die Leber der Mutter akut zu schädigen (siehe: Detoxifizierungsmechanismus), dagegen trat eine irreversible Schädigung der wesentlich empfindlicher reagierenden fetalen Leber ein.

 

1.2.: Kontamination von Lebensmittel, in erster Linie Getreide. Beispiele: endemische Vergiftungsfälle in Indien, Afghanistan, ehemalige UDSSR. In allen Fällen handelte es sich um Brot, das aus Getreide zubereitet war, welches mit PA-haltigem Pflanzenmaterial verunreinigt war. Die Folge: Tausende von Todesfällen. Diese Gefahr besteht in Europa (noch) nicht, da die "Verunreinigung" von Getreidefeldern mit solchen Pflanzen bislang vernachlässigbar ist.

2. Indirekte Intoxikationmüber die Nahrungsmittelkette

2.1. Milch: der Übergang von toxischen PA in Milch ist vielfach beschrieben. In Jamaika wurden 1989 mehrere Fälle von VOD bei Kleinkindern auf den Verzehr von PA-haltiger Milch zurückgeführt. In Deutschland und Österreich sind acht Fälle beschrieben, in denen der Verdacht bestand, dass über die Muttermilch eine Intoxikation stattgefunden hat.

 

2.2. Honig: PA-haltige Honigproben wurden bereits häufiger festgestellt. Besonders in Großbritannien sind bis zu 3,9 mg/kg PA in Honig nachgewiesen worden; als pflanzliche Quelle wurde hier Jakobskreuzkraut ermittelt. Vergleichbare Mengen wurden in anderen Proben ermittelt (bis zu 1 mg/kg stammend von Frühlingskreuzkraut; bis 0,1 mg/kg aus alpinen Kreuzkräutern). Alle diese Mengen liegen deutlich oberhalb der Menge, die im Stufenplan zur Abwehr von Arzneimittelrisiken als zulässig angesehen werden.

 

2.3. Eier: einen möglichen Übergang von PA in Eier wurde nachgewiesen. Eier von Geflügel, welches Futter verzehrte, das mit Samen von Heliotropium europaeum versetzt war, zeigten Gehalte bis zu 9,7 Mikrogramm toxischer PA. Auch dies überschreitet den als toxische Grenze angesehenen Wert deutlich.

 

2.4. Fleisch: einen Übergang der PA in Fleisch wurde bisher nicht bestätigt. Ausnahme natürlich Organe (Leber!).